Studie über gerichtsmedizinische Verfahren vergleicht Tatortdokumentation durch 3D-Scans mit Fotografie
Rechtsmedizinische Tatortdokumentation mit 3D-Scanner Artec Eva ist laut Forschern schneller und unkomplizierter ist als mit einer Fotokamera – dank entscheidender räumlicher Daten.
Die Gerichtsmedizin spielt bei Verbrechen eine wichtige Rolle, da sie Strafverfolgungsbehörden und Gerichte beim Sammeln und Untersuchen von Beweismaterial unterstützt. Eine kürzlich von Janujah Sivanandan und Eugene Liscio, Professoren für Maschinenbau an der Universität Toronto, durchgeführte Studie ergab jedoch, dass die rechtsmedizinischen Instrumente und Methoden zuweilen am Ziel vorbeigehen oder – schlimmer noch – wesentliche Indizien außer Acht lassen.
In der Vergangenheit dokumentierten die Gerichtsmediziner Tatort und Autopsie in der Regel fotografisch. Daran hat sich bis heute wenig geändert – Kameras sind das Mittel der Wahl für die Beweisaufnahme. Doch unabhängig von ihrer Auflösung, den technischen Spezifikationen und der Gesamtqualität – so betont die Studie – fehlen den 2D-Bildern wesentliche Informationen, die nur räumliche Beziehungen zwischen den Objekten liefern können. Diese Parameter sind zuweilen von so grundlegender Bedeutung, dass sie darüber entscheiden, ob das Gericht einen Schuldigen oder Unschuldigen verurteilt.
Klassische Tatortdokumentation per Kamera. forensicoutreach.com
Die Wissenschaftler der Universität Toronto wiesen darauf hin, dass die manuelle Methode zwar ausreichend für die Einschätzung räumlicher Dimensionen ist, die so ermittelten Parameter aber dennoch nur grobe Schätzwerte darstellen können.
Laut den Autoren der Studie ist der Mangel an geometrischen Informationen, die für kriminalistische Ermittlungen notwendig sind, eine offenkundige Schwäche der aktuellen forensischen Verfahren. Nach wie vor vermessen die Rechtsmediziner Tatort und Opfer per Lineal und Maßband, obwohl die 3D-Scantechnologie eine einfachere Lösung parat hat. Die Wissenschaftler der Universität Toronto wiesen darauf hin, dass die manuelle Methode zwar ausreichend für die Einschätzung räumlicher Dimensionen ist, die so ermittelten Parameter aber dennoch nur grobe Schätzwerte darstellen können. Grobe Schätzwerte aber sollten nicht als Grundlage für Gerichtsentscheidungen und Strafverfolgungsmaßnahmen dienen. Nichtsdestotrotz ist dies nach wie vor die Realität in der forensischen Wissenschaft.
Ziel der Studie war es daher, durch einen Vergleich mit der 3D-Bildgebungstechnologie konventionelle forensische Methoden auf den Prüfstand zu stellen. Für ihre Untersuchung wählten die Forscher den 3D-Streifenlichtscanner Artec Eva aus, dessen Leistungsfähigkeit im Vergleich zur aktuellen fotografischen Dokumentationstools ermittelt werden sollte. Artec Eva ist ein professioneller 3D-Scanner, der in vielen Branchen von der Luftfahrt bis hin zur Orthopädie revolutionäre Erfolge erzielt hat. Bei zahlreichen Studien, Versuchen und Tests in verschiedenen akademischen und technischen Anwendungsbereichen hat sich Artec Eva hervorragend bewährt.
Für den vorliegenden Versuch erhielt der Proband elf temporäre Tätowierungen in verschiedenen Körperregionen – im Kopf- und Nackenbereich ebenso wie auf den Armen und Beinen. Auf diese Weise konnten sich die Autoren zunächst der hohen Farbqualität von 3D-Scans vergewissern; Farbe ist in der Rechtsmedizin nämlich ein Element, das den Ermittlern über die Identität des Opfers hinaus einiges über körperliche Veränderungen verraten kann. Tatsächlich spiegeln Farben zuweilen die unterschiedlichen Körperzustände wider und liefern den Ermittlern damit ein breiteres Spektrum forensischer Daten. So kann beispielsweise die Färbung von Spuren körperlicher Traumata wie Blutergüsse und Wunden Aufschluss über die Schwere der Verletzungen und ihren Verlauf geben. Darüber hinaus gibt die Färbung der Haut Auskunft über das Verwesungsstadium einer Leiche. Berücksichtigt man zudem die Umgebungsbedingungen wie beispielsweise den Fundort der Leiche oder das Wetter, können Farbinformationen die Tatzeit ermitteln und damit als entscheidendes Puzzleteil dienen.
Der Proband wird mit Artec Eva gescannt.
Der Versuch bestand aus zwei Tests, die unter identischen Bedingungen durchgeführt und überwacht wurden: ein Test mit Fotokamera und ein Test mit Artec Eva. Im ersten Test wurde der Proband gebeten, sich hinzulegen. Die Abstände wurden mit einem Maßband ausgemessen, wobei bestimmte Partien im Gesicht und auf dem Körper (Nase, Ellbogen, Knien usw.) als Referenzpunkte dienten. Auf beiden Seiten des Tisches wurden anschließend Maßbänder ausgerollt und der Körper fotografiert. Zusätzlich wurden Nahaufnahmen der Wunden erstellt.
Der zweite Test – der mit Artec Eva – ging wesentlich müheloser vonstatten. Der Körper des Probanden wurde mehrere Male mit dem 3D-Scanner gescannt. Mithilfe des geodätischen Tools der 3D-Scansoftware Artec Studio wurden die Wunden und die Wölbungen ausgemessen. Um Farbinformationen zu erfassen, wurde eine Farbzuordnungstabelle angewendet. Während des Scanvorgangs wurden am Computer 3D-Polygonnetzdaten oder Punktwolken angezeigt, was die Anpassung des Betrachtungswinkels und die Ausrichtung des Scanners erleichtert. Insbesondere wurden aus den Informationen Netzflächendaten erzeugt, mit denen eine höhere Auflösung erzielt werden kann. Bearbeitet wurden diese Scans mit der Artec Studio, in der die Fusion und Ausrichtung der Bilder für die Erstellung der 3D-Kopie erfolgte.
Beispiel für den Einsatz des geodätischen Tools: Messung einer Tätowierung auf einer gewölbten Oberfläche
Wer mit 3D-Daten arbeitet, profitiert von der Flexibilität und Vielfalt, mit der die Bilder bearbeitet und dargestellt werden können. 3D-Daten können vielseitiger eingesetzt werden und liefern – in diesem Fall den Gerichtsmedizinern – ein vollständigeres, realistischeres Bild. Die Tatsache, dass die Bewegungsbahn eines in den Körper eindringenden Fremdkörpers rekonstruiert werden kann, hilft den Ermittlungsbehörden und den Medizinern beispielsweise bei der Feststellung der Todesursache und des Tathergangs. Sie eröffnet sogar die Möglichkeit, neue Zusammenhänge aufzudecken.
Im Rahmen der Studie wollten die Autoren den Bewegungsverlauf eines in den Körper eindringenden Geschosses nachvollziehen. Sie stellten Stative neben dem Untersuchungstisch auf und platzierten darauf Stahlstäbe, um die Flugbahn der Kugel nachzustellen. Stahlstäbe sind aufgrund ihrer glänzenden Oberfläche häufig schlecht zu erfassen, insbesondere für Streifenlichtscanner, bei denen die gegensätzlichen Lichtquellen ein erhebliches Rauschen verursachen. Trotzdem bewältigte Artec Eva diese Aufgabe zufriedenstellend. Bei einer fotografischen Dokumentation wäre das völlig unmöglich gewesen, da diese keinen Aufschluss über die Geometrie geben kann.
Screenshot der Geschossflugbahn in Artec Studio. Die grünen Linien mit den roten Kreisen sind die Stäbe zur Bestimmung der Geschossflugbahn, die mit Artec Eva erfolgreich gescannt wurden.
Die Wiedergabe geometrischer Details durch Artec Eva stellte die größte Verbesserung im Vergleich zu konventionellen forensischen Methoden dar. Auch die Fähigkeit der Farberfassung ist bei Artec Eva bemerkenswert.
Doch die Forscher beschränkten sich nicht auf die oben beschriebenen Untersuchungen. Parallel dazu führten sie eine Befragung durch, um zu ermitteln, wie einfach diese Methoden umzusetzen waren und wie fehlerfrei die Geräte funktionierten. Sie nahmen an, dass eine Technologie, die komplexe und vielschichtige Daten liefert, zwangsweise auch schwer zu bedienen sein muss. Ihre Studie widerlegt diese Annahme jedoch.
Während eine komplette fotografische Dokumentation genau 54 Minuten und 30 Sekunden dauerte, nahm Artec Eva mit 26 Minuten und einer Sekunde nur knapp die Hälfte der Zeit in Anspruch und übertrumpfte damit die konventionelle Methode.
Um zu quantifizieren, wie einfach die fotografische Dokumentation im Gegensatz zum 3D-Scan-Verfahren ist, entwickelten die Forscher eine Methode zur Berechnung von Effizienz und Nutzerfreundlichkeit. Diese bestand aus einem Bewertungssystem, das sich auf die technischen Schwierigkeiten (auch kleinere Probleme wie Software-Fehler, die die Dokumentation ernsthaft behindern können) und den Zeitaufwand für die Dokumentation bezog. Die Ergebnisse lagen schnell auf der Hand. Während eine komplette fotografische Dokumentation genau 54 Minuten und 30 Sekunden dauerte, nahm Artec Eva mit 26 Minuten und einer Sekunde nur knapp die Hälfte der Zeit in Anspruch und übertrumpfte damit die konventionelle Methode. Ein großer Teil dieses Unterschieds ist auf die Geschwindigkeit von bis zu 16 Bildern pro Sekunde zurückzuführen, mit der Artec Eva komplexe Geometrien nachbilden kann. Zudem kann ein Großteil der Nachbearbeitung im Anschluss an die eigentliche Autopsie durchgeführt werden, was den Zeitaufwand dramatisch reduziert.
Das Fazit der Forscher der Universität Toronto: Artec Eva bietet im Vergleich zu den aktuellen rechtsmedizinischen Dokumentationsmethoden erhebliche Vorteile. Artec Eva erfasst nicht nur die Farbinformationen besser als eine Fotokamera – der Scanner kann zudem umfangreiche Datenmengen in 3D rendern, ohne technologisch komplexe Anforderungen an den Nutzer zu stellen. Darüber hinaus können die generierten 3D-Daten die Ergebnisse anschaulicher und effizienter darstellen und festhalten. Besonders bemerkenswert ist die „Frische“ der Daten über einen langen Zeitraum hinweg: Mit der neuen Technologie wird es einfacher, ungelöste Kriminalfälle neu aufzurollen, da die Ermittlungen weniger durch verlorengegangene, fehlerhafte oder aus dem Kontext gerissene Daten behindert werden. Rechtsmediziner, die einen Fall erstmals bearbeiten, können die Bilddateien problemlos öffnen, bearbeiten und aus verschiedenen Perspektiven untersuchen. Sie können sich mit dem Beweismaterial sehr viel schneller vertraut machen, als wenn sie Stapel von Bildern oder eine Bibliothek unzusammenhängender Bilddateien durchforsten müssten. Mit anderen Worten: Eine kriminelle Tat zu rekonstruieren war nie einfacher als mit Artec Eva.