3D-Scans von lebenden Korallen zur Untersuchung der Auswirkungen von Mikroplastik und Klimawandel auf die Umwelt
Herausforderung: Schnelles, weitgehend kontaktloses 3D-Scannen von Hunderten von lebenden Korallen als Teil langfristiger Forschungsstudien, die auf das Verständnis der physischen Formveränderungen von Korallen aufgrund der Auswirkungen von Mikroplastik und des Klimawandels abzielen.
Lösung: Artec Spider, Artec Studio
Ergebnis: Forscher können mit dem tragbaren 3D-Scanner Artec Spider eine einzelne Koralle mit Submillimeter-Präzision in weniger als einer Minute dreidimensional scannen und ihre genauen physikalischen Maße ermitteln.
Warum Artec 3D? Die herkömmlichen Methoden zur Vermessung von Korallen sind riskant und töten die Koralle oft während des Prozesses. Mit Artec Spider hingegen wird jede Koralle tropfnass gescannt und dann in etwa einer Minute in ihr Becken zurückgesetzt, ohne dass ihre zerbrechlichen und empfindlichen Polypen beschädigt werden. Das bedeutet, dass dieselben Korallen während der gesamten Dauer der Studie – und darüber hinaus – überleben und gedeihen werden.
Korallenriffe sind komplexe und vielfältige Meeresökosysteme, die weltweit schätzungsweise 7.000-8.000 Arten von jungen Salzwasserfischen einen sicheren Hafen bieten. Mit einer Fülle von Nahrung, die sie umgibt, können sich kleine Fische in den vielen Spalten und verschlungenen Gängen eines Riffs vor großen Räubern verstecken.
Im Gegensatz zu dem, was viele Menschen annehmen, sind Korallen zerbrechliche Lebewesen. Und jede Koralle besteht wiederum aus Hunderten bis Tausenden von kleinen Lebewesen, die „Polypen“ genannt werden. Diese Polypen sind in der Regel zwischen 1 und 10 Millimeter groß, etwa so dick wie eine Münze, und haben eine weiche Außenstruktur, die ihr hartes Exoskelett aus Kalkstein bedeckt.
Nahaufnahme einer Haubenkoralle (Stylophora pistillata). Bild mit freundlicher Genehmigung von Dr. Jessica Reichert
Die Gefahr des Aussterbens
Unter dem unerbittlichen Druck der Umwelt sind seit den 1950erjahren mehr als 50 % der weltweiten Korallenriffe aufgrund von Klimawandel, Überfischung und Verschmutzung ausgestorben. Von den verbleibenden Riffen werden möglicherweise bis zu 90 % die nächsten 100 Jahre nicht überleben.
Wenn alle Korallen sterben, dann sterben auch die Fische – und das bedeutet Aussterben für immer.
Ganz zu schweigen von den weitreichenden Auswirkungen, die rund um den Globus zu spüren sein werden, einschließlich des Verlusts unzähliger Millionen Fische und anderer Meeresbewohnern sowie Dutzender Wirtschaftszweige, die von den Ressourcen des Meeres anhängig sind.
Korallenriffe sind eine wichtige Quelle für zahlreiche Medikamente zur Behandlung von Alzheimer, Krebs oder Herzkrankheiten.
Dr. Jessica Reichert arbeitet mit einem Forscherteam an der Universität Gießen, das die langfristigen Auswirkungen der Stressfaktoren des globalen Wandels auf eine Vielzahl von Korallenarten untersucht.
Dr. Jessica Reichert, Artec Spider, und eine Haubenkoralle (Stylophora pistillata). Bild mit freundlicher Genehmigung von Dr. Jessica Reichert
Ermöglicht wird dies durch die Einrichtung Ocean2100 der Universität, die es den Forschern ermöglicht, Szenarien des globalen Klimawandels zu simulieren und ihre Auswirkungen auf Korallen, Riffe und die darin lebenden Organismen zu untersuchen.
Die Einrichtung Ocean2100 an der Universität Gießen. Bild mit freundlicher Genehmigung von Dr. Patrick Schubert
Die richtigen Bedingungen schaffe
Die speziell konzipierte Aquarienanlage mit einem Meerwasservolumen von insgesamt fast 9.000 Litern besteht aus 18 separat gesteuerten und rund um die Uhr überwachten Aquarien mit je 265 Litern Inhalt.
Hier stellen die Forscher Bedingungen nach, die denen der Korallen sehr ähnlich sind, wie etwa erhöhte Wassertemperaturen, unterschiedliche Versauerungsgrade, das Vorhandensein von Mikroplastik und vieles mehr.
Verschiedene Arten und Größen von Mikroplastik. Bild mit freundlicher Genehmigung von Dr. Jessica Reichert
Reichert und ihr Team arbeiten derzeit mit 30 Arten von Steinkorallen und über 20 verschiedenen Arten von anderen Rifforganismen.
Korallen sind wirklich bemerkenswerte Lebewesen. Auch wenn einzelne Korallenpolypen absterben, kann eine einzelne Koralle theoretisch Hunderte von Jahren leben. Aus diesem Grund sind Langzeitstudien über die Veränderungen der Lebensbedingungen bei verschiedenen Korallenarten von entscheidender Bedeutung. Denn die traditionellen 60- bis 90-tägigen Studien sind einfach nicht lang genug, um die stattfindenden physikalischen Veränderungen zu messen und zu verstehen.
Und auch wenn die Studien länger dauern, haben die Messinstrumente eines Forschungsteams entscheidenden Einfluss auf die Genauigkeit der Ergebnisse. Das Koloniewachstum ist einer der wichtigsten Parameter, mit dessen Hilfe Wissenschaftler die Auswirkungen von Stressfaktoren auf Korallen untersuchen können.
Korallenriffe in Bali, Indonesien. Bild mit freundlicher Genehmigung von Dr. Jessica Reichert
Doch mit den traditionellen Methoden zur Bestimmung der Korallenmaße, bei denen entweder heißes Wachs oder Aluminiumfolie verwendet wird, ist eine präzise, wiederholbare Vermessung einer einzelnen lebenden Koralle so gut wie unmöglich.
Obwohl beide Methoden auch heute noch verwendet werden, sind ihre Grenzen sofort ersichtlich: Bei der Heißwachsmethode wird eine einzelne Koralle in eine Wanne mit kochendem Paraffin getaucht und dann das Gewicht gemessen, das sich durch das Wachsgehäuse erhöht, sobald es vollständig getrocknet ist.
Leider überlebt die Koralle diesen Schritt nicht, so dass spätere Messungen nur an einer werden, benachbarten Koralle vorgenommen werden können, wobei sich deren Maße deutlich unterscheiden.
Zwar ist es möglich, mit Aluminiumfolie eine ähnliche, aber weitaus weniger genaue Messung durchzuführen, falls die Koralle die Tortur tatsächlich überlebt. Doch müsste sich der Forscher dazu über einen längeren Zeitraum sehr langsam bewegen, was zu Ergebnissen führt, die bei weitem nicht genau genug sind, um die langsame Wachstumsrate einer Koralle (0,8 bis 5 mm pro Monat) zu quantifizieren.
Einführung einer neuen Technologie
In Gießen wird jedoch seit Jahren keine der beiden älteren Methoden mehr verwendet. Stattdessen wurde das 3D-Scannen mit dem Artec Spider als Messmethode erster Wahl eingeführt.
Die Artec Spider mit einer blauen Koralle (Heliopora coerulea), die darauf wartet, gescannt zu werden. Bild mit freundlicher Genehmigung von Dr. Jessica Reichert
Dank des minimalen Kontakts überleben mit dieser Methode nicht nur alle Korallen jede einzelne Messung, sondern es dauert auch nur knapp eine Minute, einen kompletten Scan durchgeführt.
Dies wirkte sich tiefgreifend auf die Produktivität aus. Reichert dazu: „Normalerweise scanne ich etwa 50 Korallen an einem Nachmittag, oder 100 an einem Tag. In der Vergangenheit konnten wir nie so schnell arbeiten, ganz zu schweigen von der 100-prozentigen Sicherheit für die Unversehrtheit der Korallen.“
„Ein Langzeit-Scanprojekt umfasste 300 Korallen. Sie mussten dazu dicht beieinander gescannt werden. Wenn ich das auf die alte Art und Weise, also ohne unseren Spider, machen müsste, wären mehrere Forscher erforderlich, die die Korallen messen. Oder ich müsste eine geringere Genauigkeit in Kauf nehmen, weil ich einfach nicht in der Lage wäre, sie alle in einem derart kurzen Zeitraum zu messen“, so Reichert.
Was den Arbeitsablauf beim Scannen angeht, so führt Reichert alle Scans auf einmal durch und verarbeitet sie erst später in der Software Artec Studio.
Scannen einer Fingerkoralle (Acropora humilis) mit Artec Spider. Bild mit freundlicher Genehmigung von Dr. Jessica Reichert
An den Scans sind jeweils zwei Mitarbeiter beteiligt: Einer kümmert sich um die Korallen, wenn sie frisch aus dem Aquarium kommen und auf einem Drehtisch zum Scannen positioniert werden, während der andere mit Spider scannt.
Die Forscher haben auch ihre ganz eigene Methode entwickelt, um bestimmte Korallenarten zu so positionieren, dass sie die gesamte Koralle von oben bis unten scannen können, ohne sie auch nur einmal neu positionieren zu müssen.
Auch die Fähigkeit von Spider, durch Feuchtigkeit hindurch zu scannen, hat sich als nützlich erwiesen. Reichert: „Auch wenn die Korallen nass sind, erfasst Spider sie problemlos, ohne mit der Reflektivität Schwierigkeiten zu bekommen. Das fanden wir heraus, als wir mit den Scaneinstellungen experimentierten.“
Sie fährt fort: „Mit Spider können wir die Einstellungen anpassen, sind also nicht darauf festgelegt, ob wir etwas scannen können oder nicht. Auf diese Weise wird mit Spider möglich, was mit einem anderen Scanner unmöglich zu erfassen wäre.“
Ein Beispiel: Beim Scannen heller, komplexer Korallen wird eine höhere Empfindlichkeitseinstellung verwendet, um auch die kleinsten, kompliziertesten Strukturen zu erfassen. Bei dunkleren, sehr einfachen Korallen hingegen schalten die Forscher auf eine niedrigere Empfindlichkeit um. Schon früh erstellte das Team daher eine Liste der optimalen Scanner-Einstellungen für jede ihrer Korallenarten.
Screenshots eines Spider Scans (ohne und mit aufgetragener Textur) einer Haubenkoralle (S. pistillata). Bild mit freundlicher Genehmigung von Dr. Jessica Reichert
Nach der Verarbeitung der Scans in Artec Studio werden die 3D-Modelle der Korallen in der Regel als OBJ-Dateien an MeshLab exportiert. Zudem haben die Forscher ihre eigenen Python-Skripte für die automatische Analyse der Oberfläche und des Volumens der Korallenmodelle entwickelt.
Und noch weitere wichtige Möglichkeiten eröffneten sich dank der Spider Scans: Ein brasilianischer Kollege, der Mathematiker André R. Backes, hat ein C-Programm entwickelt, mit dem die fraktalen Dimensionen der Korallen analysiert werden können, um zu sehen, wie komplex die Korallen sind und wie ähnlich sie einander sind.
Jüngste Forschungen haben ergeben, dass die zunehmende Menge an Mikroplastik in den Weltmeeren das Wachstum und die Gesundheit der Korallen direkt beeinträchtigt. Gleichzeitig reinigen die Korallen das Wasser um sie herum, indem sie Mikroplastik verschlucken, es für Nahrung halten und dann in ihrem Skelett einkapseln.
Mikroplastik, eingebettet in das Kalziumkarbonat-Skelett einer Koralle. Bild mit freundlicher Genehmigung von Dr. Jessica Reichert
Größere Unterwasserforschung
Im Gegensatz zu dem, was die meisten Menschen denken, sind die Hauptquellen von Mikroplastik nicht Luxusartikel wie Duschgels und Kosmetika. Tatsächlich in Autoreifenstaub, synthetische Kleidung und Farbpartikel die größten Übeltäter.
Reichert und ihr Team gehen auch der Frage nach, ob das aufgenommene Mikroplastik die Korallenstrukturen schwächt und sie leichter brechen lässt. Sollte dies der Fall sein, würde dies ein weiteres Schlaglicht darauf werfen, wie Küsten in aller Welt Gefahr laufen, das Einzige zu verlieren, was sie vor Stürmen und Tsunamis schützt: Korallenriffe.
Abgesehen von den Umweltschäden haben Studien gezeigt, dass Mikroplastik neurotoxisch ist und sogar unsere DNA verändern kann.
Mit Blick auf diese Folgen sagt Reichert: „Wir sehen uns an, was in 10 oder 20 Jahren passieren wird, wenn wir Mikroplastik nicht sofort beseitigen oder drastisch reduzieren. Wir müssen den Kurs ändern, und wir haben die Macht und die Verantwortung, dies sofort zu tun.“
Ein weiterer Schwerpunkt für Reichert und ihre Kollegen sind die Auswirkungen des Klimawandels auf die Korallen, einschließlich des wärmer werdenden Wassers und des erhöhten CO2-Gehalts im Meerwasser. Von zentraler Bedeutung ist die Versauerung der Ozeane, da sie sich stark auf die Bildung des Korallenskeletts auswirkt.
Untersucht wird auch, ob die morphologischen Veränderungen der Korallen einen Einfluss auf die Wellenbewegungen haben. Da Korallen stark von ihrer Umgebung beeinflusst werden, wachsen sie bei starker Strömung anders als bei schwacher oder mäßiger Strömung.
Reicherts Kollege Juan David Osorio Cano, I.C, M. Ing, PhD, von der Universidad Nacional de Colombia, Sede Caribe, Grupo de Investigación en Oceanografía e Ingeniería Costera (OCEÁNICOS) hat Korallenmodelle aus Reicherts Spider Scans in 3D gedruckt und sie in einem Kanal verwendet, um die Auswirkungen auf die Wasserströmung um die Korallen herum zu untersuchen, wobei sich die Form der Korallen mit der Zeit verändert.
Verwendung von Blender zur Vorbereitung eines 3D-Modells von einer Haubenkoralle (S. pistillata) für den 3D-Druck. Bild mit freundlicher Genehmigung von Dr. Juan David Osorio Cano
Durch die Verwendung von 3D-gedruckten Korallen erhalten die Forscher Experiment für Experiment die genauen Maße der Koralle, so dass die Größen- und Formvariablen konstant bleiben, ohne dass Gefahr besteht, dass die Koralle durch falsche Handhabung stirbt.
Reichert sagt: „Ich kann nicht genug betonen, dass diese Forschung ohne die 3D-Scans, die wir mit Spider durchführen, nicht möglich wäre. In der Vergangenheit waren wir nie in der Lage, die Veränderungen im Wachstum und in der Form der Korallen, wie sie im Laufe der Zeit stattfinden, derart genau zu verfolgen. Doch jetzt haben wir die Möglichkeit, all dies zu tun.“
Sie fügt hinzu: „Jeder Forscher mit gut geschulten Augen kann eine Koralle betrachten und sehen, dass sich ihre Form verändert hat, doch das ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht ausreichend. Mit unserem Spider Scanner können wir Veränderungen quantitativ messen, um genau zu zeigen, wie und auf welche Weise sich die Form verändert hat. Erst dann können wir anfangen zu verstehen, was passiert und warum.“
3D-gedruckte Haubenkoralle (S. pistillata), bereit für Studien zu Wasserströmungen. Bild mit freundlicher Genehmigung von Dr. Juan David Osorio Cano
Reichert und ihr Team setzen ihre Arbeit in Gießen fort und untersuchen viele verschiedene Korallenarten.
Doch es gibt noch so viel mehr zu erforschen: die Vielfalt der Möglichkeiten, wie Korallen ihre Form verändern können, welche Parameter diese Veränderungen vorantreiben, wie man dieses Wissen am besten auf die Ebene der Riff-Ökosysteme überträgt. Und schließlich gilt es zu verstehen, wie die Komplexität der Riffe beeinflusst wird und welche Konsequenzen sich daraus für die in diesen Riffen lebenden Fische und letztlich auch für uns Menschen ergeben werden.
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