Vorteq: Schnellste Zeitfahranzüge der Welt dank neuester 3D-Scanner
In der Welt des Radrennsports ist Geschwindigkeit alles. Doch selbst auf einer Indoorbahn, unter kontrollierten Bedingungen, kämpft der Radfahrer bei jedem Tritt in die Pedale gegen den Luftwiderstand. Da Radfahrer bis zu 90 Prozent ihrer Energie dafür aufwenden, diesen Luftwiderstand zu überwinden, ist dessen Verringerung wichtiger als alles andere. Für Profis und ambitionierte Freizeitsportler ist also verhältnismäßig wenig gewonnen, wenn sie zehntausend Euro oder mehr für ein aerodynamisches Rennrad ausgeben. Da der Körper des Fahrers für etwa 80 Prozent des Luftwiderstands verantwortlich ist, das Rad aber nur für die restlichen 20, sollte der Fokus sinnvollerweise auf dem Fahrer, seinem biomechanischen Verhalten in verschiedenen Fahrpositionen, seinem Training und vor allem seiner Kleidung liegen.
Ein Radfahrer im Windkanal des Silverstone Sports Engineering Hub. Quelle: Vorteq
Vorteq stellt maßgeschneiderte Zeitfahranzüge für Radfahrer her und setzt dafür einen speziell für Sportzwecke konzipierten großen Windkanal, einen kleineren Windkanal speziell für Textilgewebe und die neueste 3D-Scantechnologie ein. Die hautengen Rennanzüge, auch „Skinsuits“ genannt, sind die aerodynamischsten Kleidungsstücke, die ein Radfahrer tragen kann: Sie erzeugen einen geringeren Luftwiderstand als ein nackter Körper. Qualitativ hochwertige Skinsuits sollten leicht, bequem, atmungsaktiv und auf den Sportler zugeschnitten sein, der sie trägt. Andernfalls sitzen sie nicht richtig und werfen Falten. Doch in der Welt der Aerodynamik erhöht jede Falte den Luftwiderstand, und dieser verringert die Leistung. Viele Textilgewebe reißen auf, wenn sie überdehnt werden, und steigern damit ebenfalls den Luftwiderstand auf der Oberfläche. Für bestimmte Körperpartien sollten Stoff und Nähte deshalb sehr sorgfältig ausgewählt werden. Jeder Anzug muss so designt und geschneidert sein, dass die Stoffspannung exakt auf die individuelle Anatomie des Radfahrers abgestimmt ist. Nur so lässt sich eine optimale Luftströmung und der geringstmögliche Luftwiderstand gewährleisten. In Anbetracht der riesigen Unterschiede in Körperbau und -größe ist eine perfekte Passform bei Rennanzügen von der Stange, die oft nur in den Größen Small/Medium/Large erhältlich sind, schlichtweg unmöglich.
Das mit Vorteq-Anzügen ausgestattete Huub-Wattbike-Team gewann im Januar 2020 bei den British National Cycling Championships in Manchester dreimal Gold, zweimal Silber und dreimal Bronze. Quelle: James Huntly Photography
Das Mutterunternehmen von Vorteq, TotalSim, hat in den letzten zehn Jahren eng mit Profi-Rennradfahrern, olympischen Radsportteams, Tour-de-France-Teilnehmern und anderen Top-Radsportlern zusammengearbeitet und viel Erfahrung gesammelt. So konnte Vorteq den – seiner Meinung nach – schnellsten Zeitfahranzug entwickeln, den es aktuell auf dem Markt gibt. Um alles zu übertreffen, was in der Vergangenheit möglich war, investierte Vorteq mehr als 460.000 Euro in Forschung und Entwicklung. 45.000 verschiedene Material-, Spannungs- und Geschwindigkeitskombinationen wurden in den spezialisierten Windkanälen des Sporttechnologiezentrums Silverstone Sports Engineering Hub (SSEH) getestet. Das Ergebnis: Jeder Sportler bekommt bei Vorteq seinen eigenen, auf Höchstleistung ausgelegten Rennanzug aus einem individuellen Gewebe und mit persönlichem Design.
Entwurf und Fertigung der Vorteq-Skinsuits. Quelle: Vorteq
Obwohl Vorteq jahrelang exklusiv für Olympia-Teams und andere Top-Athleten tätig war, sind die maßgeschneiderten Rennanzüge seit dem 1. Januar 2020 auch für ambitionierte Amateure aller Leistungsniveaus erhältlich. Damit haben alle Sportler, nicht nur Profis, die Möglichkeit, einen auf sie zugeschnittenen Vorteq-Skinsuit zu erstehen – und auf dem Weg zur Ziellinie von der gleichen Technologie zu profitieren wie die Olympioniken.
Ein wesentliches Element bei der Maßanfertigung der Zeitfahranzüge ist der 3D-Scanner, der jedes anatomische Detail des Körpers digital erfasst. In den Stunden nach dem Scanvorgang, der nur wenige Minuten dauert, werden sämtliche Maße, Schnittmuster und Stoffe akribisch im computergestützten Draping-System ausgewählt und schließlich vom Skinsuit-Team zusammengefügt.
Zuvor arbeitete TotalSim mit armbasierten Scannern zur digitalen 3D-Erfassung von Rennwagen, Rädern und anderen Objekten. Doch beim Scannen von Menschen hatte das Unternehmen damit erhebliche Probleme und konnte die alte Technologie nicht mehr nutzen.
An diesem Punkt wandte sich Vorteq an den Artec Ambassador Central Scanning, der Spezialist für alle Aspekte des 3D-Scannens ist. Die Experten von Central Scanning besuchten die Firma vor Ort und empfahlen Artec Leo, einen handgeführten 3D-Scanner mit integriertem Touchscreen und einer Bildrate von bis zu 80 Bildern pro Sekunde. Artec Leo läuft komplett ohne Kabel und liefert bei mittelgroßen Objekten wie zum Beispiel Menschen exzellente Ergebnisse in wenigen Minuten. Schon in der Vergangenheit hatte TotalSim zwei Artec-Scanner für seine Projekte in den Bereichen numerische Strömungsmechanik und Messtechnik eingesetzt: Artec Eva und Artec Spider. Die hochmoderne Scantechnologie von Artec war den Mitarbeitern deshalb bereits vertraut.
Artec Leo 3D und die Software Artec Studio mit dem Scan eines Radsportlers im Silverstone Sports Engineering Hub. Quelle: Artec 3D
Als Messtechnik-Ingenieur Sam Quilter und seine Kollegen bei Vorteq feststellten, wie schnell und präzise Artec Leo die Anatomie eines Radfahrers erfasst, wussten sie, dass sie das richtige Tool für ihre Arbeit gefunden hatten. In den Stunden nach der Lieferung des neuen Artec Leo begannen sie, einen Arbeitsprozess zu entwickeln, den sie folgendermaßen beschreiben:
„Der Radfahrer schiebt sein Rad in den Windkanal, befestigt es auf der Plattform und steigt auf. In nur fünf bis sechs Minuten scanne ich ihn mit Artec Leo in zwei verschiedenen Positionen und erstelle einen präzisen, hochauflösenden 3D-Farbscan. Dann benötige ich nur noch eine Minute, um seinen Schuh von allen Seiten aufzunehmen“, berichtet Quilter. „Das heißt, in zehn Minuten bin ich durch, und der Sportler kann wieder gehen. Ich habe alles, was ich brauche, um einen anatomisch perfekten, pfeilschnellen Vorteq-Anzug zu entwerfen. Es ist kein zweiter Scan nötig. Nie.“
Messtechnik-Ingenieur Sam Quilter scannt einen Sportler mit Artec Leo. Quelle: Vorteq
„Meistens scannen wir die Sportler in ihrer Unterwäsche“, fährt Quilter fort, „um ihren Körper so detailliert wie möglich aufzunehmen. Wenn wir den Skinsuit dann schneidern, liegt er so perfekt am Körper an, wie es mit Bekleidung nicht möglich wäre. Diese verstellt ja den Blick auf die exakten anatomischen Strukturen.“
Ein Rennradfahrer wird im Silverstone Sports Engineering Hub mit dem Artec Leo gescannt. Quelle: Vorteq
„Beim Schneidern unserer Skinsuits arbeiten wir direkt mit den Leo-Scans. Wir verwenden also nicht die Maße, sondern die exakten physikalischen Daten. Das ist ein entscheidender Unterschied. Denn wenn man die physikalischen Maße in ein CAD-System oder ein computergestütztes Draping-System wie dem unseren eingibt, geht etwas verloren. Und dieses Etwas macht sich schnell in Form von ungenauen Maßen bei der Anfertigung der Rennanzüge bemerkbar – was für uns absolut inakzeptabel ist. Selbst die kleinste Abweichung kann bedeuten, dass an manchen Stellen eine Falte entsteht oder der Stoff überdehnt wird. Entscheidend für uns ist also, wie Leo uns die exakten physikalischen Daten des Sportlers bereitstellt.“
„Von dem Zeitpunkt an, in dem der Radfahrer zur Tür hereinkommt und wir mit dem Scannen mit Leo beginnen“, fasst Quilter zusammen, „vergehen insgesamt etwa zwei Stunden, inklusive Nachbearbeitung in Artec Studio, 3D-Modellierung in Geomagic Wrap und Export des 3D-Modells. Das ist ein Zeitraum, von dem wir früher nur träumen konnten. Was die Produktionszeit für einen einsatzfertigen Skinsuit insgesamt anbetrifft, sind wir momentan bei zwei Tagen. Dieser Zeitaufwand wird aber immer geringer. Wir streben einen Turnaround von 24 Stunden an, und in nicht allzu ferner Zukunft werden wir diese Grenze bestimmt knacken.“
Ein Sportler wird im „Sports Performance“-Windkanal von SSEH gescannt. Quelle: Artec 3D
„Leo macht es einem leicht“, erklärt Quilter den Workflow bei der Nachbearbeitung in Artec Studio. „In Artec Studio muss ich nicht viel machen: Ich lese nur die Daten von Artec Leo ein, checke am Bildschirm alles doppelt und lösche dann überflüssige Fragmente mit dem Radierer-Tool. Normalerweise entferne ich das Fahrrad nicht aus dem Scan, weil es ein guter Referenzpunkt für die Positionierung und den Blickwinkel ist. Dann führe ich eine globale Registrierung durch – hierfür nehme ich die Standardeinstellungen, denn die funktionieren perfekt. In der Regel muss ich keine Ausreißer entfernen, weil die Daten für einen menschlichen Körper schon sauber genug sind. Anschließend führe ich eine weiche Fusionierung durch und ändere ein paar kleinere Dinge. Zu guter Letzt exportiere ich die Daten als STL-Datei für Geomagic Wrap.“
„In Geomagic Wrap reduziere ich mit dem Dezimierungstool die Anzahl der Polygonen weiter und entferne Unebenheiten, die nicht in den Scan gehören. Ganz selten arbeite ich auch mit der Relax-Funktion und gehe dann zu den Smooth-Funktionen über, mit denen ich kleine Schönheitsfehler beseitigen kann. Denn manchmal zucken die Finger der Radfahrer während des Scannens, und das muss natürlich korrigiert werden. Nachdem wir alle notwendigen Bearbeitungsschritte erledigt haben, exportieren wir die Daten als OBJ-Datei für unsere computergestützte Draping-Software“, sagt Quilter.
Das neueste Angebot von Vorteq ist eine anatomisch exakte Nachbildung des Sportlers, die anhand der Artec Leo-Scans gebaut wird. Mit diesen per 3D-Druck hergestellten Modellpuppen können neue Skinsuits gefertigt werden, ohne dass der Kunde in die Geschäftsstelle kommen muss. Hier ein Beispiel: Ein Radrennfahrer trainiert am anderen Ende der Welt. Er braucht einen Rennanzug für das bevorstehende Langstreckenrennen auf Zeit, das vor allem in der Ebene stattfindet, aber auch lange Downhill-Phasen beinhaltet. In diesem Fall kann mithilfe der 3D-Puppe ein maßgeschneiderter Anzug für ihn gefertigt werden: Vorteq testet verschiedene Gewebe und Schnittmuster in seinen Windkanälen, stellt den neuen Skinsuit in den darauffolgenden Stunden fertig und sendet ihn per Express auf die andere Seite des Globus. Aktuell dauert es weniger als zwei Tage, bis die Puppe fertig ist, doch dieser Zeitrahmen wird mit jeder Woche kürzer. Ziel ist es, den Prozess vom 3D-Scan bis zur fertigen 3D-gedruckten Puppe auf 24 Stunden zu verkürzen.
Die fertigen Teile einer Vorteq-Puppe warten darauf, zusammengebaut und im Windkanal getestet zu werden. Quelle: Artec 3D
Warum Vorteq die 3D-Puppen anbietet, begründet Quilter so: „Mit einer Puppe in Lebensgröße können wir isolierte Windkanaltests nur für den Arm durchführen, um zu untersuchen, wie sich verschiedene Gewebe und Schnittmuster auf den Luftwiderstand auswirken. Das sind kleine Vorteile, die sich summieren. Denn bei einem echten Rennfahrer muss man damit rechnen, dass er sich im Windkanal bewegt – auch wenn es nur minimal ist – und das beeinflusst die Ergebnisse. Mit richtigen Menschen kann man nie so exakt messen wie mit einer total unbeweglichen Puppe. Bei ihr ändert sich nur der Stoff, den man ihr anzieht.“
„Puppen werden nicht müde und halten immer still. Mit ihnen wissen wir ganz genau, welche Änderungen unsere Stoffe oder Designs in puncto Luftwiderstand und Leistung bewirken.“
TotalSim bietet auch eine biomechanische Beratung und Training für Radrennfahrer und -teams an. Das Unternehmen sagt den Sportlern unter anderem, welche Körperhaltung, welche Fahrgewohnheiten und welche Kleidung ihre Leistung und Ausdauer erhöhen und den Luftwiderstand verringern.
Der „Sports Performance“-Windkanal des Silverstone Sports Engineering Hub. Quelle: Silverstone Sports Engineering Hub
„Wir wollen ambitionierten Sportlern helfen, die oft schon sehr erfolgreich oder auf dem Weg nach oben sind. Wir möchten sie dabei unterstützen, die vielen winzigen Vorteile zu nutzen, die in ihrer Summe den entscheidenden Vorsprung bringen, um an die Spitze zu gelangen“, erklärt Quilter. Zusätzlich zu den Skinsuits von Vorteq und der Biomechanik- und Trainingsberatung von TotalSim wird auch ein Scanservice für verschiedene Kundengruppen wie Radsportteams angeboten. Bei diesen 3D-Scanprojekten spielt Artec Leo eine zentrale Rolle, egal ob sie bei Vorteq, irgendwo in Großbritannien oder in anderen Ländern stattfinden.
„Im Gegensatz zu unseren früheren Scannern“, meint Quilter, „ist der Leo so flexibel, dass wir ihn praktisch überallhin mitnehmen können. Und wir brauchen keine weitere Hardware, nur den Leo. Diese Freiheit zu haben ist toll, besonders wenn man an Orten arbeitet, an denen die Arbeitsbedingungen nicht gerade mit einem Labor vergleichbar sind.“