Ägyptische Mumie mithilfe von 3D-Scans und Computertomographie in 3D-Modell verwandelt
Bislang hatten 3D-Scanning und Computertomographie nichts miteinander zu tun. Doch das ändert sich jetzt, denn diese beiden Technologien wurden nun kombiniert, um einzigartige Bilder zu erzeugen: das 3D-Modell einer ägyptischen Mumie. Die Informationen zur Geometrie und Farbe der Mumie wurden mit dem 3D-Streifenlichtscanner Artec Eva erfasst und über eine computertomographische Aufnahme gelegt, die mit dem CT-Scanner Siemens AXIOM erstellt wurde. Das Ergebnis ist eine digitale Kopie der Mumie, die sowohl ihr Inneres als auch ihr Äußeres in allen Einzelheiten zeigt.
Ein CT-Scanner liefert zwar umfassende Detailinformationen zur inneren Struktur eines Körpers, gibt aber keine Farbinformationen wieder, sodass eine wirklich realistische Darstellung des Objekts nicht möglich ist. Dank der neuen Funktion von Volume Graphics (Version 3.1), eine Software zur Analyse und Volumenvisualisierung gewerblicher 3D-Daten, können die beiden Daten-Sets per Mausklick zusammengeführt werden.
Das Projekt „Mumie Sherit“ ist einer der ersten Anwendungsfälle dieser neuen Funktion. Sherit – altägyptisch für „die Kleine“ – ist die Mumie eines ägyptischen Mädchens, das vor 2.000 Jahren starb. Sie wird derzeit im Rosicrucian Egyptian Museum in San José, Kalifornien, aufbewahrt.
„Unser Anliegen bei diesem Projekt war es, die Geschichte dieses kleinen Mädchens zu erzählen“, erklärt Julie Scott, Leitende Direktorin des Rosicrucian Egyptian Museum. „Die Mumie befand sich zwar schon seit den 1930er Jahren in unserem Museum, doch wir wussten immer noch sehr wenig über sie. Wir haben nach einer Möglichkeit gesucht, mehr über sie zu erfahren, ohne ihre Bandagen anzutasten.“
Die Mumie „Sherit“ in kombinierter CT- und 3D-Scan-Darstellung. Das hellblaue Gitter dient nur zu Illustrationszwecken. Es symbolisiert die jetzt mögliche Kombination von farbigen 3D-Oberflächenscans mit den dreidimensionalen Daten des Inneren, die bei einem CT-Scan erzeugt werden.
Sherit wurde 2005 einer Computertomographie unterzogen, mit der die Forscher ihr ungefähres Alter und ihren Gesundheitszustand ermitteln konnten. Als das Mädchen starb, war es zwischen viereinhalb und sechs Jahre alt. Ihr Körper wurde in feines Leinen eingewickelt und mit runden Ohrringen, einem Amulett und einer Kette aus der Römerzeit bedeckt – was vermuten lässt, dass es aus einer wohlhabenden Familie stammt. Die an der Untersuchung beteiligten Ärzte glauben, dass sie wahrscheinlich an einer Durchfallerkrankung oder einer Gehirnhautentzündung starb.
„Ein Video über diese Untersuchungen läuft derzeit in der Wissenschaftsecke unseres Museums“, erzählt Julie Scott. „Bald möchten wir dort einen neuen Film zeigen, der sehr viel interaktiver sein wird. Statt nur ein Video anzusehen, können die Besucher dann ein Tablet über den Kasten mit der Mumie bewegen und die Scan-Bilder der entsprechenden Bereiche betrachten. Wir hoffen, dass unsere Besucher durch diese neue Technik eine Beziehung zu diesem kleinen Mädchen aufbauen können, das vor vielen, vielen Jahren lebte.“
Artec 3D und Volume Graphics kombinieren den 3D-Farbscan einer ägyptischen Mumie mit einer Computertomographie und erzeugen mit detaillierten Innen- und Außenansichten das bislang präziseste 3D-Modell.
Das CT-Bild von Sherit wurde mit einem hochpräzisen 3D-Scan zusammengeführt. Dieser wurde mit Artec Eva aufgenommen, der ein vollfarbiges 3D-Bild der äußeren Oberfläche produzierte.
„Wir haben uns für den Artec-Scanner entschieden, weil er eines der besten Geräte ist, um die Details eines CTs durch eine farbige Netzfläche zu ergänzen. Diese konnten wir dann in die neueste Version unserer Software VGSTUDIO MAX importieren“, erklärt Christof Reinhart, CEO von Volume Graphics. „Der Artec-Scanner verbindet eine nutzerfreundliche Bedienung und ein kompaktes Format mit hochqualitativen Oberflächenaufnahmen. Die Handhabung ist sehr einfach, weil der Scanner so klein ist und die Daten mit hoher Geschwindigkeit erfasst werden. Gleichzeitig ist es möglich, 3D-Aufnahmen einer Objektoberfläche sehr präzise und vor allem in Farbe zu erfassen – die Dimension, die beim CT immer noch fehlt. Wir sind extrem zufrieden mit den Ergebnissen: Ihre Qualität ist noch besser, als wir erwartet haben.“
Durch den Einsatz der 3D-Streifenlichtscan-Technologie von Artec war es möglich, einen schnellen Scan durchzuführen, ohne Zielmarken an der empfindlichen Mumienoberfläche anzubringen. Die 3D-Scanner von Artec liefern hochauflösende 3D-Bilder mit einer Farbtiefe von 24 Bit pro Pixel und geben die echten Farben des Objekts wider. Dank der verbesserten Visualisierungsfunktion der 3D-Modellierungssoftware Artec Studio 12 sieht der Nutzer die 3D-Daten beim Rotieren als vollständig gerenderte Scans und nicht als Punktwolken. Dadurch wird die Bearbeitung und Überprüfung des 3D-Modells sehr viel einfacher.
„Diese Mumie war relativ einfach zu scannen, weil sie eine komplexe Geometrie, eine abwechslungsreiche Farbe und natürliche Unregelmäßigkeiten in der Oberfläche aufwies“, berichtet Anna Galdina von Artec, die die Mumie einscannte. „Das einzige, was den Scan etwas schwieriger machte, war die Bitte des Museums, den Scanner nicht direkt über die Mumie zu halten. Das schränkte das Spektrum an Winkeln ein, aus denen ich sie scannen konnte. Doch da der Scanner so vielseitig ist, war auch das keine große Sache.“
Die Mumie Sherit wird mit Artec Eva gescannt, der mit einem Artec-Akkupack ausgestattet ist.
Anna hatte für den Scanvorgang 30 Minuten Zeit, war aber in weniger als 10 Minuten fertig. „Ich entschied mich daher, ein paar zusätzliche Scans zu machen, wobei ich die Einstellungen in Artec Studio optimierte, weil ich sehen wollte, was dabei herauskommt“, berichtet sie. „Ich nutzte die restliche Zeit außerdem dazu, noch ein zweites Mal zu kontrollieren, ob ich alle Risse und Vertiefungen erfasst hatte.“
Die Erstverarbeitung der Rohdaten erfolgte vor Ort und war in wenigen Minuten erledigt. „Als wir wieder im Büro waren, haben wir die hochauflösendere Version in etwa 1,5 Stunden fertiggestellt“, erzählt Anna. „Der Kunde wollte mehrere Versionen des Modells in verschiedenen Auflösungen, also bereitete ich anschließend auch diese vor.“
Anna erstellte insgesamt fünf Modelle in den Formaten .obj mit .png-Texturen, .ply und .wrl und in Größen von 600.000 bis zu 27 Millionen Polygonen. „Alles in allem hat es sehr viel Spaß gemacht, an diesem Projekt mitzuarbeiten“, sagt Anna. „Ich hatte noch nie zuvor ein Modell gesehen, das aus einem Artec 3D-Scan und einem CT-Scan bestand. Die Ergebnisse waren verblüffend! Beide Daten-Sets waren perfekt aneinander ausgerichtet, und nun ist jedes Detail der Außenfläche genauso sichtbar wie das Innere der Mumie – unglaublich!“
3D-Modell der Mumie Sherit, erstellt mit dem 3D-Scanner Artec Eva und gerendert in Artec Studio 12
Das 3D-Bild wurde als Farbnetz gespeichert, das sowohl die Farb- als auch die Geometriedaten enthält. Mit dem CT-Scan hatte man auf schonende Weise die internen Strukturen der Mumie vollständig erfasst – ein Bereich, der dem optischen 3D-Scanner verborgen bleibt. Anhand des CT-Scans wurde das dreidimensionale Volumen berechnet, das sämtliche Gewebe- und Geometrieinformationen beinhaltete.
Anschließend mussten beide Scans nur noch zu einem 3D-Modell verknüpft werden. Hierfür wurde das Farbnetz auf die vom CT-Scan errechnete Objektoberfläche platziert. Das Ergebnis war die präziseste digitale Kopie der Originalmumie, die es bislang gibt – innen wie außen.
Die Zusammenführung der Daten erfolgte mit VGSTUDIO MAX, einer Software zur Volumenvisualisierung und Analyse gewerblicher CT-Daten von Volume Graphics, die .obj- und .ply-Daten lesen kann.
„Es wird interessant sein zu sehen, was die Nutzer mit unserer Software machen – jetzt, da ihre Volumendaten eine neue Dimension erhalten“, so Christof Reinhart. „Indem wir farbige Punktwolken und Netze hinzufügen, können wir die Welt der optischen und der CT-Scans miteinander verschmelzen lassen. Wir sind total gespannt darauf, wie diese Funktion eingesetzt wird!“
Bislang mussten CT-gescannte Objekte extra koloriert werden, um ihre Oberfläche realistisch wirken zu lassen. Dieser Schritt ist nun nicht mehr notwendig, wenn man 3D-Farbscanning mit CT-Scans kombiniert. Farbnetze können in Version 3.1 der Volume Graphics-Software importiert und mit den CT-Daten zusammengeführt werden. Das ermöglicht es, Objekte besser zu dokumentieren, lebensechter und präziser darzustellen und eine umfassende visuelle Analyse durchzuführen.
Als Anwendungsbereiche bieten sich der Denkmalerhalt, die forensische Medizin, Archäologie, Anthropologie und die medizinischen Wissenschaften an. Doch auch die gewerbliche Anwendung ist denkbar. Die Kombination von Farbnetzen und CT könnte beispielsweise eingesetzt werden, um Details im Inneren eines Objekts im Zusammenhang mit der Farbe der Oberfläche zu untersuchen.