Artec Eva digitalisiert 500 Jahre Geschichte aus einer der ältesten Synagogen der Welt
Der Heilige Thoraschrein von Mantua ist eines der seltensten und beeindruckendsten Exponate im Nahon-Museum für italienisch-jüdische Kunst in Jerusalem. Dieser einzigartige hölzerne Schrein, der zur Lagerung der heiligen Thorarollen entworfen und im Jahr 1543 von den besten Kunsthandwerkern aus Mantua/Italien geschaffen wurde, ist weltweit einer der ältesten seiner Art und mit original erhaltenen vergoldeten Schnitzereien verziert. Sein Stil erinnert an den biblischen Heiligen Tempel in Jerusalem, in dem vermutlich die Bundeslade aufbewahrt wurde. Diese wurde in Form eines Gebäudes entworfen und weist architektonische Elemente wie Säulen und Kapitelle auf.
Vom Zeitpunkt ihres Baus bis zum heutigen Tag erlebte der Mantua-Schrein mehrere Inkarnationen. Nach dem Zweiten Weltkrieg schließlich wurde der Schrein nach Jerusalem verschifft und an seinem heutigen Standort aufgestellt. Dort wurde er auch einer umfassenden Renovierung, Konservierung und Restaurierung unterzogen und in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt.
Für einen gewöhnlichen Museumsbesucher wie auch für Besucher der Website des Museums bleibt die besondere Geschichte des Schreins in Bezug auf ihre Symbolik und Merkmale jedoch unbekannt. Größe und Position des Exponats verhindern eine genaue Betrachtung, und selbst die sichtbaren Merkmale können nicht in vollem Umfang wahrgenommen werden.
Die Synagoge Scola Grande in Mantua, wo die Arche ursprünglich aufgestellt wurde. Ein Foto aus dem frühen 20. Jahrhundert, mit freundlicher Genehmigung des Nahon-Museums.
Im Jahr 2015 initiierte das Nahon-Museum ein Projekt, um die Geschichte des Schreins, seine lange Reise und seine historische Bedeutung im Kontext des jüdischen Lebens in Italien zu erzählen. Die Website Mantua in Jerusalem skizziert die Geschichte, das Leben und die Kultur der jüdischen Gemeinde Mantuas sowie die Bedeutung, die der Schrein Generation für Generation hatte.
Das Museum entschied sich schließlich für ein ehrgeiziges Unterfangen – die Arche in 3D zu scannen und sie den Besuchern sowohl physisch als auch virtuell vollständig zugänglich zu machen.
Die glänzenden, symmetrischen und sich wiederholenden Muster des Schreins [Bild von Professor Moshe Caine]
Aufgrund der Größe und Geometrie des Exponats und der Komplexität der Texturen stellte das Scannen der Mantua-Arche eine gewisse Herausforderung dar:
- Die Topographie des Schreins ist extrem komplex, mit zahlreichen Bereichen ohne direkten visuellen Zugang. Darüber hinaus steht der Schrein so dicht an den Museumswänden, dass nur sehr wenig Platz für die Scanausrüstung bleibt. Der Scanner muss zudem in den erforderlichen Winkeln positioniert werden, um die verdeckten Flächen zu erreichen.
- Die Textur: Die Arche war ursprünglich aus Holz gefertigt. Ihre gesamte Oberfläche ist jedoch mit Blattgold überzogen, das glatt und glänzend ist – eine der am schwierigsten zu erfassenden Oberflächen für jeden 3D-Scanner. Für die Durchführung des Scans war es allerdings weder zulässig noch sinnvoll, die Oberfläche mit mattem Pulver zu beschichten. Denn selbst wenn es möglich gewesen wäre, hätte es die Oberflächenqualität des Schreins verändert.
- Die Topographie des Schreins ist außerdem zwar komplex, jedoch auch repetitiv, was die Ausrichtung und Verschmelzung der Mehrfachabtastungen erschwerte.
- Und schließlich machte die Größe der Arche (über drei Meter hoch) den Scanvorgang besonders schwierig.
Nach der Beurteilung der Komplexität der Aufgabe wurde klar, dass für die Digitalisierung der Arche ein qualitativ hochwertiges Werkzeug benötigt wurde. Das Museum wandte sich an Caliber Engineering and Computers Ltd, den Gold-zertifizierten Partner von Artec 3D in Tel Aviv. Zvi Grinberg, der damalige Leiter von Caliber, wurde sofort in das Projekt einbezogen. Da sich dieser Auftrag enorm von den technischen Engineering- und CAD-Projekten unterschied, die sein Unternehmen normalerweise durchführte, erkannte Zvi sowohl die berufliche Herausforderung als auch den einzigartigen kulturellen Wert dieses Unterfangens, das er freiwillig und kostenlos übernahm.
Scannen des Schreins mit Artec Eva [Bild mit freundlicher Genehmigung des Nahon-Museums].
Nach einer gründlichen Untersuchung des Schreins entschied das Caliber-Team, dass Artec Eva der am besten geeignete Scanner für diese Aufgabe war. Dieser Strukturlicht-3D-Scanner zeichnet sich dadurch aus, dass er mittelgroße bis große Objekte mit einer herausragenden Genauigkeit von bis zu 0,1 mm und einer außergewöhnlichen Auflösung erfasst – und das selbst bei schwarzen und glänzenden Oberflächen, was ihm einen Vorteil gegenüber anderen Scanlösungen auf dem Markt verschafft. Außerdem ist der 3D-Scanner leicht und schnell, was ihn besonders zur Erfassung verschiedener historischer Fundstücke, Skulpturen und Monumente in abgelegenen Orten macht, sei es an einem sonnigen Tag im Freien oder im Innern einer schwach beleuchteten Galerie.
Abtastvorgang
Um den Schrein von Grund auf zu erfassen und dem Team einen leichten Zugang zur Oberseite des Objekts zu ermöglichen, wurde im Museum ein spezielles Gerüst gebaut. Artec Eva wird normalerweise für mittelgroße Objekte verwendet. Mit diesem Scanner war es eine besondere Herausforderung, ein so großes Objekt zu erfassen. Es dauerte 15 Stunden innerhalb von drei Tagen, bis das Team das Scannen abgeschlossen hatte, gefolgt von mehreren weiteren Stunden, um die Mehrfachscans auszurichten, zu bereinigen und zusammenzufügen. Insgesamt wurden 78 separate Scans durchgeführt. Das endgültige Modell war über 700 MB groß und enthielt über 16 Millionen Polygone.
Scannen der Arche von oben [Bild mit freundlicher Genehmigung des Nahon-Museums]
„Trotz der Größe des Schreins ist es uns gelungen, anhand von Textur und Geometrie der Arche vom ersten Versuch an gute Ergebnisse mit Artec Eva zu erzielen. Nach dem Scan konnten wir die gesamte Arbeit im Büro mit der Software Artec Studio abschließen, ohne dass wir weitere Scans und Verbesserungen machen mussten“, sagt Guy Engel, CEO von Caliber Engineering.
Vorschau der Ergebnisse in der Software Artec Studio [Bild mit freundlicher Genehmigung des Nahon-Museums]
Nach der anfänglichen Verarbeitungsphase reduzierte das Caliber-Team die Dateigröße unter Beibehaltung der Qualität der Originalscans und retuschierte das 3D-Modell, um es für die öffentliche Vorführung vorzubereiten. Die Datei von Caliber wurde an die Abteilung für fotografische Kommunikation am Hadassah Academic College in Jerusalem weitergeleitet, insbesondere an Associate Professor Moshe Caine. Professor Caine verfügt über umfassende Kenntnisse und Erfahrungen mit 3D-Scan- und Photogrammetrie-Lösungen zur Bewahrung von Kulturgütern. Er bearbeitete das 3D-Modell des Schreins bis zur Perfektion.
Der Arbeitsablauf von Professor Caine
Der Arbeitsablauf von Professor Caine bei der Scan-Verarbeitung lief wie folgt ab:
Feinabstimmung und Bereinigung kleinerer Defekte des Polygonnetzes mit Autodesk (beta) Memento Software.
Hinzufügen einer Rückwand und eines Bodens: Da der Schreins an der Museumswand montiert war, war es unmöglich, Rück- und Unterseite des Exponats zu scannen. Man entschied sich daher, eine einfache Wand und einen einfachen Boden per Computer zu generieren und diese dem Modell hinzuzufügen.
Bildbearbeitung der Texturkarte: Trotz der akribischen Arbeit während des Scannens blieben kleine Defekte sowie eine ungenaue Farbwiedergabe der Arche erhalten. Anschließend wurde mit einer DSLR-Nikon-Kamera zusätzlich fotografiert, und die korrigierten Oberflächen wurden in die ursprüngliche UV-Karte eingebaut. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Methoden getestet, unter anderem:
- Parametrisierung und Texturierung von Rastern in Meshlab.
- Exportieren der Karte als PSD-Datei (Photoshop), Korrektur in Photoshop, Reimport und Export des korrigierten Modells.
- Öffnen der OBJ-Datei in Photoshop und direktes Arbeiten auf der Texturebene. Letztendlich wurde eine Kombination der oben genannten Techniken angewandt, bis zufriedenstellende Ergebnisse erzielt wurden.
- Die Farbkorrektur wurde auf der endgültigen Texturkarte mit Photoshop durchgeführt, wobei der Schrein an sich als einzige Referenz verwendet wurde.
Nach dem Scannen Dutzender historischer Exponate erläuterte Professor Caine seinen Ansatz für den 3D-Scan- und Verarbeitungsablauf:
„Ein wichtiger Ratschlag für diejenigen, die planen, Kulturgüter in 3D zu scannen, lautet: Arbeiten Sie langsam und sorgfältig. Überstürzen Sie nichts. Gehen Sie so nah wie möglich an das Objekt heran. Verwenden Sie viel weiches Licht. Das Ergebnis wird immer nur so gut sein wie die Arbeit und Sorgfalt, die darin steckt.“
Der Schrein von Mantua, von Caliber & Moshe Caine auf Sketchfab
Als Professor Caine seine akribische Scanverarbeitung abgeschlossen hatte, wurde das endgültige Modell zur öffentlichen Betrachtung auf die Website des Nahon-Museums Mantua in Jerusalem, die der Kunst der jüdischen Gemeinde Mantuas gewidmet ist, hochgeladen. Darüber hinaus wurde neben dem Schrein ein Terminal mit einem Touchscreen installiert, der es den Museumsbesuchern ermöglicht, das prächtige historische Prunkstück aus allen Blickwinkeln zu betrachten, hinein- und herauszuzoomen, jedes Detail zu untersuchen und über Hotspots Zugang zu den relevanten Informationen zu verschiedenen Aspekten des historischen Artefakts zu erhalten.
Die allgemeine Reaktion auf das Modell war sehr positiv. Laut den Mitarbeitern des Museums sowie Professor Caine schätzen die Besucher besonders die Möglichkeit, die Arche aus nächster Nähe und von allen Seiten zu erkunden. Darin liegt die Besonderheit der 3D-Modelle, mit denen 2D-Bilder oder sogar physische Objekte, die so groß sind wie der Schrein von Mantua, meist nicht mithalten können. Projekte wie dieses sind ein treffendes Beispiel dafür, wie 3D-Scantechnologien die Art und Weise verändern, wie wir Kulturgüter betrachten und bewahren können.
Damals im 16. Jahrhundert hätten sich die Bürger und Mitglieder der jüdischen Gemeinde Mantuas wohl nicht träumen lassen, dass ihre Nachkommen eines Tages in der Lage sein würden, das wichtigste Kulturgut ihrer Gemeinde selbst nach 500 Jahren nicht nur in einem Stück zu betrachten, sondern es auch aus nächster Nähe in 360 Grad zu erkunden, ohne dafür ihr Haus verlassen zu müssen.